Der Stapel all meiner amazon-Pakete, in denen meine Weihnachtsgeschenke geliefert wurden.
Letztes Jahr habe ich meinem 72-jährigen Vater zum Geburtstag ein Abo der Zeitschrift National Geographic geschenkt. Da ich an seinem Geburtstag im Urlaub war und ihn telefonisch nicht erreicht habe, sprachen wir erst danach.
“Und, ist unser Geschenk angekommen?” habe ich ihn gefragt. “Nein”, sagte er. Bei weiterem Nachfragen stellte sich heraus, dass der Abobescheid sehr wohl angekommen war, mein Vater das Abo aber direkt wieder gekündigt hatte. “Ich hatte nichts bestellt und dachte, das wären Betrüger.”
Ich bin ja lernfähig und wollte es dieses Jahr an Weihnachten besser machen. Ich habe Papas Weihnachtsgeschenke bei amazon bestellt, die Geschenkoption angeklickt, eine Karte geschrieben und sie zu ihm nach Hause schicken lassen. Gestern rief er mich an.
“Ich wollte nur Bescheid sagen, dass das Päckchen angekommen ist. Ich habe das aber aufgemacht, denn es war ja kein Absender drauf.” (Ich vergesse manchmal, dass mein Vater keinen PC hat, nie im Internet ist und dort natürlich auch nichts bestellt. Er weiß also gar nicht, wer oder was amazon ist.)
Ich daraufhin: “Das ist jetzt nicht Dein Ernst – Du machst nicht ein paar Tage vor Weihnachten ein Überraschungspäckchen auf?!” Seine Antwort: “Doch, wenn da nichts drauf steht. Nachher sind das Betrüger und wenn ich das drei Tage nicht öffne, muss ich was bezahlen.”
OK. Tief Luft holen. Heuwägelchen. Ich erinnere mich an meine Großmutter Liesel, die täglich eine Stunde damit verbrachte ihre “Post” durchzusehen. Allesamt Postwurfsendungen, aber die Gute verstand einfach nicht, dass die an ALLE rausgehen, nicht nur an sie.
“Aber Du hast ja die Geschenke nicht ausgepackt, oder Papa?” “Doch, natürlich Svenja. Du hattest ja auch eine Karte dazu geschrieben und da stand ja drin, was in dem einen Päckchen ist.” (Heuwägelchen) “Aber dann lag da auch noch so ein Zettel bei, ein Gutschein über 100 Euro”, sagte mein Vater. “Aber beim Durchlesen habe ich verstanden, dass das nur Werbung war.”
Meine Alarmglocken schrillen. Ich denke nochmal an Liesel. Die hat im Alter bei jedem Preisauschreiben mitgemacht und permanent etwas bestellt, weil sie dachte es wäre umsonst. Einfach weil sie nicht verstanden hat, wie das Leben heute funktioniert, was Marketing ist und wie viel davon einfach nur in den Müll gehört.
Ja, meine Eltern werden älter, das merke ich oft an Kleinigkeiten. Als meine Kinder kleiner waren, hielt meine Mutter Pampers für giftig, heute ist es Listerin (“Das macht die Zähne kaputt.”) und Unterhemden sind ein Muss (“Die holen sich sonst was.”) Mein Vater hält die digitale Fotografie für überflüssig und fühlt sich von Geschenken per Post verfolgt. Klar, er bucht seine Reisen auch im Reisebüro und fährt für seine Überweisungen 20 Minuten in die Stadt zur Filiale.
Manchmal muss ich darüber lachen, manchmal regt mich das auf, manchmal macht mich das traurig. Zu Weihnachten wollte ich euch das einfach mal erzählen, denn viele von uns werden jetzt ihre Familie treffen und damit eben auch die ältere Generation.
Lasst uns versuchen, Verständnis dafür zu haben, dass sie Manchem nicht so ganz folgen können. Wir sollten es ihnen in Ruhe erklären (oder unter den Tisch fallen lassen, je nachdem).
Früher war bestimmt nicht alles besser, aber oft langsamer. Und wenn ich uns heute so anschaue, hatte das bestimmt auch seinen Reiz.
In diesem Sinne wünsche ich euch einen geruhsamen und nicht allzu hektischen letzten Weihnachts-Vorbereitungstag,
Eure Svenja
8 Kommentare
Liebe Svenja, da kannst du doch froh sein, dass du deinem Vater kein IPad geschenkt hast. So bleibst du verschont das wertvollste Schneidbrettchen verschenkt zu haben :-) (du kennst doch den Film, oder?)
Meiner Schwiegermutter hat man einen Tag vor ihrem Geburtstag und zwei Tage vor Weihnachten ihre Geldbörse beim Einkaufen gestohlen, ihre Rente ist wirklich sehr gering. An Weihnachten wünscht man eigentlich allen Glück – aber diesem dreisten Dieb wünsche ich mit diesem Geld kein Glück.
Sieh´s einfach mal so – über dein Geschenk hat sich dein Vater auf alle Fälle gefreut – ob nun am 22./23. oder 24.12. das ist doch egal – es geht einzig und alleine um die Freude die man bereitet.
Frohe Weihnachten dir und deiner Familie.
Liebe Svenja,
deinen Beitrag habe ich schmunzelnd gelesen, das kann man immer, wenn man nicht persönlich betroffen ist und/oder etwas zeitlichen Abstand gewonnen hat. Vielleicht hilft dir deshalb diese kleine Geschichte meiner Eltern:
Bei meiner Mutter wurde vor zwei Jahren nach drei Monaten ‘Reise’ durch div. Arztpraxen und Krankenhäuser Darmkrebs diagnostiziert. Dies bedeutete auch, dass mein Vater, den meine Mutter unendlich verwöhnt hat, auf einmal für die Dauer ihres Krankenhausaufenthaltes auf sich allein gestellt war. Mein Vater muss nie einkaufen gehen und so kamen Fragen auf wie: “Wenn ich jetzt etwas einkaufen gehe, brauche ich dann einen Einkaufswagen? Und wenn ja, wie mache ich das? Ich habe ja gar keinen Chip für den Einkaufswagen so wie Mutti?!”… Damals habe ich mich unendlich aufgeregt, heute denke amüsiert daran zurück, wie ich ihn an die Hand genommen und Einkaufswagen ziehen und wieder abstellen geübt habe incl. eines knallgrünen Chips als Geschenk für ihn. Und auch beim nächsten Einkauf konnte ich mir ein wenig Sarkasmus nicht verkneifen und habe dies ‘Lektion Obstauswiegen’ genannt ist der Erklärung, dass dies so einfach sei wie Memorie-Spielen.
Heute ist meine Mutter wieder gesund und trägt meinem Vater nach wie vor alles hinterher. Änder werde ichnsienichr mehr, aber ich könnte an Weihnachten mal nach dem kleinen, grünen Einkaufswagenchip fragen ;-)
Liebe Grüße – deine Claudia
Liebe Svenja, Du hast mal wieder SO recht, aber ich sehe das so, daß mein Vater Weihnachten (!) vor zwei Jahren gestorben ist mit gerade einmal 70 Jahren… Vorher hatte er jahrelang Demenz und hat den ganzen modischen Schnickschnack (inklusive Handy) abgelehnt… Ich kann Dich SO verstehen!!! :-) Umso mehr genieße ich meine Schwiegereltern, die mit Anfang 60 sehr fit sind und wir skypen auf Wunsch meiner Schwiegermutter regelmäßig. :-) Fröhliche Weihnachten!!! :-) Liebe Grüße. Véro
Liebe Svenja,
das kommt mir alles sehr bekannt vor. ;-)
Ganz süß dieses Jahr: Mein Schwiegervater aus Berlin rief vor ein paar Tagen beunruhigt an. Er hat für unsere Jüngste ein Päckchen zur Post gebracht. Leonie hat heute (23.12.) ihren 11. Geburtstag. Er hatte es schön mit Packpapier eingewickelt, mit hübschen Aufklebern verziert und einer Menge Briefmarken frei gemacht. Außen herum, damit alles zusammenhält, hatte er Paketschnur angebracht.
Zu seinem Entsetzen erfuhr er am Postschalter, dass das Paket “so” nicht auf die Reise gehen darf. Die Schnur muss ab! “Das ist Paketschnur!”. Ja, aber ein Paket mit Paketschnur darf nicht befördert werden.
“Und dann hamm’se die Schnur einfach abjeschnitten!”, sagte Opa am Telefon. Und seither hatte er Bedenken, dass das Päckchen nicht heil im Münchner Süden ankommen würde. Wie erleichtert er doch war, als ich ihm vorgestern am Telefon sagen konnte, dass Paket und Inhalt sicher angekommen sind. “Weil, da sind doch solche Kuschelsocken drin, die die Kleene so jerne mag….” :-)
Wenn man sich einmal überlegt, wie sehr die Welt sich in den vergangenen 30 Jahren verändert hat, in welchem Tempo die ältere Generation sich an “Innovationen” gewöhnen musste, da wird einem schon so Einiges klar.
Frohes Fest! :-) Nicole
Liebe Svenja,
ich bin ja noch nicht so alt. Mit Computer, EMail etc. komme ich auch ganz gut zurecht. Gestern war ich mit meinen Söhnen (21 und 18) Technik einkaufen. Ich verstand nur Bahnhof. Ich kann also Deinen Vater gut verstehen. :-))
Liebe Arlette, es kann sich nur noch um ein paar Jahre handeln und es geht mir genauso, da bin ich sicher :-) Deine Svenja
LETTER FROM A MOTHER TO A DAUGHTER:
“My dear girl, the day you see I’m getting old, I ask you to please be patient, but most of all, try to understand what I’m going through.
If when we talk, I repeat the same thing a thousand times, don’t interrupt to say: “You said the same thing a minute ago”… Just listen, please. Try to remember the times when you were little and I would read the same st
ory night after night until you would fall asleep.
When I don’t want to take a bath, don’t be mad and don’t embarrass me. Remember when I had to run after you making excuses and trying to get you to take a shower when you were just a girl?
When you see how ignorant I am when it comes to new technology, give me the time to learn and don’t look at me that way… remember, honey, I patiently taught you how to do many things like eating appropriately, getting dressed, combing your hair and dealing with life’s issues every day… the day you see I’m getting old, I ask you to please be patient, but most of all, try to understand what I’m going through.
If I occasionally lose track of what we’re talking about, give me the time to remember, and if I can’t, don’t be nervous, impatient or arrogant. Just know in your heart that the most important thing for me is to be with you.
And when my old, tired legs don’t let me move as quickly as before, give me your hand the same way that I offered mine to you when you first walked.
When those days come, don’t feel sad… just be with me, and understand me while I get to the end of my life with love.
I’ll cherish and thank you for the gift of time and joy we shared. With a big smile and the huge love I’ve always had for you, I just want to say, I love you… my darling daughter.”
– Unknown
Ja, das ist ein wunderschöner Text. Leider war es bei mir ein wenig anders – mein Vater war recht schnell nicht mehr da. Und wahrscheinlich hast Du Recht und das ist einer der ründe, warum ich jetzt auch nicht immer so mordsgeduldig sein kann.