Die eine Lücke

Meine wunderbare Leserin und Bloggerin Tina von deliciousdaily hat mich auf einen Artikel in der Huffington Post aufmerksam gemacht. Darin geht es um die alten Damen, die Mütter wie uns mitten auf der Straße mit folgendem Satz ansprechen: “Ach, die Zeit vergeht ja so schnell. Genießen sie bloß die Zeit, wenn die Kinder noch so klein sind.”

Genauso wie die Autorin kann ich das nicht immer. Weil der Verkehr grausam ist und die Flötenstunde schon angefangen hat und ich mal wieder zu spät dran bin. Oder weil ich unbedingt noch was fertigschreiben muss und deshalb den Kindern erlaubt habe, Nintendo zu spielen. Und jetzt stört mich das Dudeln der Nintendos bei der Konzentration. Ich kann den Moment nicht genießen, weil meine Kinder trödeln, wenn wir uns beeilen müssen und mit mir diskutieren, das Tennis blöd ist und sie das heute nicht spielen wollen. Mein Sohn weiß jeden Montagmorgen nicht, welches Spielzeug er zum Mitbringtag mitnehmen soll. Und meine Tochter will kein Unterhemd anziehen, weil das uncool ist.

Aber genau wie die Autorin, kenne ich auch die andere Seite. Perfekte Momente, in denen mir klar wird, wie gut ich es habe. Kinder, die gesund sind. Die wie Engel aussehen, wenn sie schlafen. Die sich gegenseitig helfen und unterstützen. Die eine Flasche Schorle aus dem Keller holen, wenn ich sie darum bitte. Die morgens früher aufstehen, weil sie noch im Schnee spielen wollen, bevor der Hausmeister die Wege freischaufelt. Die sich nichts sehnlicher wünschen, als samstags ins Schwimmbad zu gehen und sonntags gleich nochmal. Für die eine Schnecke ein Wunder ist. Und die aus dem Nichts anfangen zu lachen und nicht mehr aufhören können.

Kinder müssen nicht mit 4 Fahrrad fahren und schwimmen könnnen, sondern dann, wenn SIE Lust dazu haben, weil sie soweit sind. Genau so ist es auch mit dem Genießen. Ich kann es nur dann genießen, dass ich Kinder habe, wenn ICH soweit bin. Wenn ICH – entweder bewusst oder zufällig – die eine Lücke im Alltagswahn entdecke, die mir diesen Freiraum gibt. Die Kinder bewusst anzusehen. Die Freude, die sie mir bereiten, bewusst zu genießen. Die Liebe, die ich für sie spüre, bewusst zu empfinden.

Genau deshalb sprechen uns die alten Damen auf der Straße an. SIE nehmen sich die Zeit, UNSER Glück bewusst zu empfinden und dadurch ihr eigenes, vergangenes Glück wieder hervorzuholen. Ab jetzt nehme ich mir daran ein Beispiel.

Ein Kommentar

  1. Bevor ich schlafen gehe, nehme ich mir einen Moment Zeit, mir zu überlegen, wofür ich an diese Tag dankbar bin. Das können Klitzekleinigkeiten sein. Es hilft mir sehr, den Moment zu geniessen und erhöht meine Achtsamkeit am nächsten Tag. Liebe Grüße und danke für den Post
    Irina

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