Wir alle sind in dem Glauben aufgewachsen, dass Frauen alles dürfen. Wählen (selbstverständlich) genauso wie Karriere machen (ein Klacks) und/oder Kinder kriegen. Interessanterweise hat man uns aber auch die ganze Zeit erzählt, dass wir alles KÖNNEN. Tut mir leid, das stimmt nicht.
Ich habe ja gerade ein paar Tage mit ganz vielen Frauen verbracht. Da waren Frauen, die hatten 5 Kinder und keinen Mann, 2 Kinder und einen Mann, keine Kinder und einen viel jüngeren Mann. Da waren Singles, Witwen und geschiedene Frauen. Und alle hatten im Laufe ihres Lebens ein Problem mit dem, was die Gesellschaft erwartet, fördert oder ablehnt.
Ab 30 erwarten alle, dass man Kinder bekommt. Bekommt man keine ist man entweder eine frigide Zicke, bemitleidenswert oder selbst Schuld. Oder es wird hinter dem Rücken geflüstert, dass es wohl “nicht so ganz klappt”.
Hat man Kinder, erwarten alle, dass man erstmal aufhört zu arbeiten. Tut man es nicht, ist man eine Rabenmutter.
Hat man Kinder und einen Halbtagsjob heißt es, dass man sein Potenzial nicht lebt.
Hat man Kinder und keinen Job, geht man besser nicht auf Gartenparties. Denn die zweite Frage ist immer: “Und, was machst Du so beruflich?” Sich nach der Antwort “Hausfrau” nicht minderwertig zu fühlen, ist dann gar nicht so einfach.
Ich habe zwei Kinder und immer gearbeitet. Ich weiß, dass es keinen allgemeingültigen Ratschlag gibt, wie wir Frauen unser Leben planen sollen, denn jeder muss individuell seinen Weg finden. Ich hatte Glück und konnte auf meine Mutter und ein Kindermädchen zählen – und habe mich die ganze Zeit mit einem schlechten Gewissen herumgeplagt, obwohl ich von Zuhause gearbeitet habe und die Kinder jederzeit zu mir kommen konnten.
Was ich nicht verstehe, ist, dass mir das vorher alles niemand erzählt hat. Es ging doch schon tausend Frauen vor mir so. Wenn wir mal ehrlich darüber miteinander reden würden, wie schwierig es ist, einen Weg zu finden, würden wir uns sicher auch besser organisieren. Es gäbe mehr und andere Lösungen als die wenigen Kindertagesstätten- und Kindergartenplätze und vor allem gäbe es Kindergärten in jeder größeren Firma. Warum sollen wir denn sonst überhaupt Karriere machen? Oder glaubt ihr wirklich, dass euer Chef es lustig findet, wenn ihr um 15:30 gehen müsst, weil sonst die Betreuungseinrichtung schließt?
Jede Frau, die ich kenne, befindet sich in permanenter Alarmbereitschaft. Die ohne Mann, weil sie Angst haben keinen abzukriegen. Die ohne Kinder, weil sie Angst haben, dass es bald zu spät sein könnte und sie was verpassen. Die ohne Job, weil sie Angst haben finanziell abhängig zu sein. Die mit allem (Kind, Hund, Mann, Job, Haus) weil sie Angst haben, keinem gerecht zu werden.
Ich muss jetzt mal was loswerden: STOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOP! und dafür gibt es nur einen Weg: Wir Frauen müssen uns gegenseitig unterstützen und anerkennen, dass unser Weg nicht der richtige für unsere Nachbarin ist und deren Weg nicht der richtige für uns. Anstatt dauernd die Augenbrauen hochzuziehen wäre es besser, offen zu sagen, was man denkt. Ja, ich finde, dass ein Kind mit 3 Monaten nichts in einer Tagesstätte zu suchen hat. Deshalb habe ich meine Kinder auch in keine gegeben. Aber ich muss akzeptieren, dass andere Frauen das anders sehen.
Und Eines habe ich über die Jahre auch noch gelernt: Ich liebe meinen Mann, ich liebe meine Kinder und ich liebe meine Arbeit. Am meisten von allem liebe ich aber mich selbst. Denn die Wahrheit ist, dass dieses ganze moderne Frauenberufkindermannhaus-Gebilde nur dann funktioniert, wenn wir Frauen entspannt sind. WIR sind der wichtigste Baustein, egal ob Single oder 7-Mann-Haushalt. Wir sind die einzigen, die einen Weg finden können, der zu uns passt. Und es ist sicher nicht hinderlich, wenn der mit einer Massage, einem Kaffeetrinken oder einem Kinobesuch anfängt.
In diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes Wochenende, ganz ohne Arbeit, aber dafür mit euch selbst.
Alles Liebe
Eure Svenja
P.S.: Und nur nochmal zur Illustration, wie verschieden wir sind: Auf dem Bild oben seht ihr eine Frau die Single ist und eine Katze hat. Eine andere hat keine eigenen Kinder, ist das dritte Mal verheiratet und zieht die Kinder ihres Mannes auf. Die nächste hat zwei Kinder und einen Ehemann. Und die vierte hat ein Kind von einem Ex-Freund und lebt in wilder Ehe mit einem Mann, der sie heiraten will und der auch ein Kind hat – von einer anderen Frau. Zusammen gelacht haben wir trotzdem und gerade deswegen. Frauen sind einfach toll.
7 Kommentare
Danke für diesen Blog-Eintrag! Genau so ist es! Wir diskutierten gerade in einem fb-forum über das Thema Frauen & Job & Kinder. Da warf eine deinen Blogbeitrag ein. Du triffst es genau!
lg aus Norddeutschland von einer Mutter mit Mann, die versucht noch freiberuflich zu arbeiten.
Liebe Anja, gerade heute Morgen habe ich über das Thema wieder heiß mit meiner besten Freundin diskutiert. Dein Nebensatz: “Die versucht, noch freiberuflich zu arbeiten”, trifft den Nagel auf den Kopf. Ich habe heute den Haushalt gemacht, mit dem Notebook auf dem Schoß zwischendrin gearbeitet und bin jetzt auf den Sprung zum Supermarkt, um dann die Kinder abzuholen. Uff – oder sollte ich besser sagen: business as ususal??? Herzlichste Grüße aus dem Süden, Deine Svenja
Sehr gute und realistische Beiträge!!!
War selbst (auch noch als Mann, oh Gott) allein Erziehend mit 3 Kindern (4,5,16) und knapp 500 Kilometern von Familie und Verwandtschaft (Hilfe) entfernt.
Mußte nach Zusammenbruch einsehen: Vollzeitjob, Haushalt und Kinder geht nicht. Halbtagsjob angenommen und “Karriere” beendet.
Man, wurde ich bemitleidet, schief angesehen, soll doch endlich eine neue Frau suchen und wieder “richtig” arbeiten…
Sich um seine Kinder zu kümmern hat in dieser Gesellschaft kaum einen Stellenwert.
Lieber Peter, über Deinen Kommentar freue ich mich besonders. Es ist wirklich komisch, dass das “um Kinder kümmern” gesellschaftlich nicht anerkant – wo es doch eigentlich das WICHTIGSTE ist, wenn es um den Fortbestand einer Gesellschaft geht, in der wir alle weiter gerne leben möchten. Toll, dass Du das gewuppt hast – das waren sicher einige nicht ganz so einfache Jahre. Du hast meinen vollen Respekt, dass Du Dich Deiner Aufgabe gestellt hast und nicht in die Arbeit geflüchtet bist. Danke, dass DU uns davon erzählt hast. Deine Svenja
die heutige Kleinfamilie Vater Mutter Kind(er) ist furchtbar! Als Eltern ist man so schrecklich allein, die ganze Verantwortung lastet auf einem und man hetzt sich täglich ab im Hamsterrad: Geld verdienen und die Kinder erziehen und das RUND UM DIE UHR ohne Pause. Aber man hat sich ja Kinder gewünscht (freiwillig!) und so muß man wohl die Suppe alleine auslöffeln.
Um Kinder aufzuziehen braucht man ein ganzes Dorf. Das gab es früher nicht, dass Frauen ganz allein für den Nachwuchs zuständig waren und nicht gearbeitet haben, sondern sie wurden immer unterstützt von Großeltern, von der Tante, von einer Magd oder von einer Kinderfrau oder von Nachbarn oder anderen Leuten. Die Kinder wurden einfach weitergereicht. Die Mutter hat sich niemals einen ganzen Tag nur mit den Kindern beschäftigt.
Wo ist das Dorf heute? Nichts – nada. Im Gegenteil: die Anforderungen an Eltern werden immer höher aber die Hilfe immer weniger. Es sollte in Dörfern Familienzentren geben, in denen Familien unterstützt werden von freiwilligen Ehrenamtlichen, die z.B. Babysitting machen oder die Kinderbetreuung übernehmen, Hausaufgabenbetreuung, etc. und das Ganze total unkompliziert. Sog. Familienhelferinnen kostenlos für Familien. Vor allem auch, wenn die Eltern krank sind (soll manchmal vorkommen) und sich nicht um ihre Kinder kümmern können.
Auf jeden Fall sollte dieser üble Muttermythos aufhören von wegen: das Kind gehört zur Mutter. So ein Quatsch! Und gesetzlich garantierte Ganztagskrippenplätze für jedes Kind ab 1 Jahr.
Liebe Birgit, ich sehe das etwas anders. Ein Dorf fürs Kind finde ich super. Ich wohne genau deshalb in einer Reihenhaussiedlung und genieße diese Art von Zusammenhalt und Gemeinschaft. Ganztagskrippenplätze für jedes Kind ab einem Jahr würde ich allerdings für eine fatale Fehlentscheidung halten. Alles Liebe, Deine Svenja
Toller Beitrag! Mir wurden manche Entscheidung regelrecht “vorgegeben”. Mit Mitte dreissig musste die Firma Leute entlassen. Mein damaliger Chef kündigte mir mit dem Kommentar: “Frauen gehören an den Herd”. Na prima. Ohne Job, sprich Einkommen, geht eben nichts im Leben. Weder Herd noch Kinder. Seit der Kündigung (ich bin inzwischen Mitte 40) hangle ich mich gerade so von Befristung zu Befristung. Wie soll man bei so viel Unsicherheit ein Kind in die Welt setzen. Es macht mich sehr traurig.